Das waren Zeiten

Am 1. Mai beginnt die neue Saison im Heimatmuseum: Unsere Redaktion hat sich schon mal umgesehen

Hattendorf. Nanu, eine halb nackte Schaufensterpuppe im großen Zimmer des Museums? Natürlich wird sie noch angezogen, sagt Karl Hampel, sie wird eine Tracht erhalten. Aber sie hatte doch schon eine an? Stimmt, meint der Museumsleiter, aber es war die falsche.

Man kann anhand dieser Puppe auch den Weg aufzeigen, den das Heimatmuseum in seinen über 30 Jahren gegangen ist. Denn einst wurde die Puppe einfach mit einer Tracht verziert, und man war möglicherweise froh, dass man überhaupt eine Tracht zeigen konnte. Aber Kenner wissen, dass fünf Frauen aus fünf Schaumburger Dörfern auch fünf verschiedene Trachten tragen würden.

Also wird die Schaufensterpuppe jetzt richtig getrachtet, sie wird aussehen wie eine Frau aus Bückeburg, die ins Auetal gezogen ist und hier heiratet. Rechts neben ihr wird der Bräutigam stehen. „Unsere Puppen“, betont Rolf Prange, „werden jetzt vernünftig angezogen, so wie sich das gehört.“

Wie hier sind es die kleinen Geschichten, die in einem Museum die Exponate mit Leben erfüllen. Und so gesehen, steht der Verein für Heimatpflege Auetal vor der schönsten Saison, denn so prall gefüllt mit lebendigen Geschichten war das Museum wohl noch nie.

Es sind zuweilen Geschichten, die von einem Wandel erzählen, etwa im Flur, wo jetzt die Fahne der Kathrinhäger Kyffhäuser hängt, den Verein gibt es ja nicht mehr. Die Fahne des Schützenvereins Antendorf ist mitsamt Ketten und Auszeichnungen ins Max-und-Moritz-Zimmer gezogen.

Das Wasser wird einen breiten Raum einnehmen, ausgestellt werden Bilder wie von einem Ziehbrunnen aus dem Jahr 1632; viele Brunnen wurden ja zugemacht, als die Moderne in Form von Wasserleitungen ins Auetal kam. Der Wasserverband hat eine Vitrine mit Exponaten beigesteuert, Wasserzähler, Hinweisschilder, Eckverbindungen, solche Sachen, darüber hängt eine Tafel mit Informationen.

Überhaupt Informationen: Sehr viel mehr Schilder und Seiten begleiten die ausgestellten Dinge, sie unterstützen und erklären sie; der Gesamteindruck ist schön. Ach ja: Die Elektroausstellung geht ins zweite Jahr, und Fritz Stummeier hat noch einiges Neues auftreiben können in den Wintermonaten, ein erneuter Blick lohnt sich. Und die Stromleitung hat jetzt einen Vogel.

Über die Treppe geht es im Museum nach oben, und dort, zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Stock, dürfte sich mancher Besucher in dieser Saison länger aufhalten, denn hier hängen neue Bilder. Gezeigt werden Konfirmations- und Kommunionsbilder aus den letzten Jahrzehnten, hier dürfte sich mancher Betrachter wiederfinden. Auch sie erzählen vom Wandel, nicht nur in der Bekleidung. Aus dem April 1967 stammt ein Bild: Damals war der Andrang der Konfirmanden in Hattendorf so groß, dass sie in zwei Gruppen aufgeteilt werden mussten, das waren noch Zeiten. Oder hier, eine Stufe höher, hier hängt ein Bild von der Konfirmation in Kathrinhagen aus dem Jahr 2001, und der Pastor links im Bild heißt Michael Held.

Oben geht es um Dokumente und Geld. Eine Ausstellung zeigt Dokumente, die ein Deutscher haben musste, Ausweise etwa von der Kaiserzeit bis in die heutigen Jahre, dazu gibt es alte Sparkassenbücher, (nicht echtes) Geld, ach ja, so sah der Hunderter vor 15 Jahren aus, und stimmt, Gauß war auf dem Zehn-Mark-Schein zu sehen, und dort hängt ein Vier-Pfennig-Stück, der sogenannte Brüning-Taler; eine Maßnahme, mit der Reichskanzler Heinrich Brüning von 1930 an zwei Jahre lang die Deutschen zum Sparen anleiten wollte. Gleich daneben: eine Münze aus dem Gefangenenlager Zwickau, denn viele Lager hatten während des Ersten Weltkrieges eigene Währungen. Und sogar ein 25-Euro-Stück und eine Fünf-Euro-Münze hat Prange besorgt, damit man sie mal sehen kann.

Der Rundgang endet, wo er begonnen hat: bei der Schaufensterpuppe. Und Rolf Prange ahnt mittlerweile, warum sie lange Jahre die falsche Tracht getragen hat: „Die hat damals ein Mann angezogen.“

Eröffnet wird die neue Saison am 1. Mai um 10 Uhr.

 

Von frank Westermann