Schaumburger Zeitung vom 16. Juni 2020

Komplettes Mobiliar von Hand gefertigt

Museum Auetal bekommt 70 Jahre altes Puppenhaus geschenkt

AUETAL. Das Heimatmuseum Auetal ist zwar angesichts der Coronakrise derzeit noch geschlossen: Untätig sind die Ehrenamtlichen der sogenannten Mittwochsrunde um Vereinschef Karl Hampel deswegen aber nicht – und die Sammlungen an der Langenfelder Straße wachsen weiter. Jetzt freut sich Hampel über den jüngsten Neuzugang des Museums: ein komplett selbst gebautes und etwa 70 Jahre altes Puppenhaus:

Überlassen hat es dem Verein Bernhard Riphaus, ein Mitglied der sogenannten Mittwochsrunde aus Ehrenamtlichen. Er habe das Puppenhaus damals selbst von Nachbarn für seine beiden kleinen Töchter bekommen, die heute längst erwachsene Frauen seien, so Riphaus. Wer das Haus einst angefertigt habe, das sei heute leider nicht mehr nachzuvollziehen.

 

Nur so viel: Das zwei „Stockwerke“ hohe Gebäude, das eine Treppe samt Geländer verbindet, hat sechs Zimmer und an der Seite einen Balkon. Nahezu sämtliche Räume können über Deckenlampen elektrisch beleuchtet werden, was damals – im Wortsinn – ein „Highlight“ war. Sie tragen allesamt Tapeten und sind komplett möbliert. Besonders liebevoll gestaltet und gelungen sind ein weißer Flügel im Wohnzimmer sowie ein „Allibert“-Drogerieschrank und ein Wasserklosett im Badezimmer. Der Vereinschef: „Diese Puppenstube ist eine tolle Ergänzung zu den sechs weiteren dieser Art, die wir schon im Museum haben.“

Hintergrund: Die Geschichte der Puppenstube geht nach Auskunft der Online-Enzyklopädie Wikipedia bis ins 16. Jahrhundert zurück. Das älteste bekannte Puppenhaus wurde 1558 für Herzog Albrecht V. von Bayern gebaut – allerdings nicht als Spielzeug, sondern als kleines Kunstwerk und Schaustück. Im 17. und 18. Jahrhundert griffen reiche Patrizierfamilien in Nürnberg und Augsburg diese Idee auf und ließen sich ihre Häuser im Kleinformat nachbauen, um ihren Reichtum zu zeigen. Besonders in den Niederlanden war es Mode, diese „Puppenhäuser“ nicht in Modell-Häusern einzubetten, sondern als Barockschrank zu gestalten.

Das erste „moderne“ Puppenhaus, das mit erzieherischer Intention gefertigt wurde, schuf 1631 Anna Köferlin in Nürnberg, die dazu auch ein Flugblatt herstellen ließ. Mädchen sollten spielerisch auf ihre spätere Aufgabe als Hausfrau vorbereitet werden. Erst im Biedermeier fand das Spielzeug aber weitere Verbreitung. Vorbild waren die Wohnungen gehobener Bürgerfamilien, die naturgetreu nachgebildet wurden.

 

Es gab auch einzelne Räume als Puppenstube, vor allem als Salons und Puppenküchen, die mit allen nötigen Küchengeräten ausgestattet waren. Zu dieser Zeit kam auch der Kaufladen auf, mit dem Geschwister zusammen spielen konnten. Mittlerweile wurden Puppenstuben industriell hergestellt, in ärmeren Familien entstanden sie jedoch in einfacher Form in Handarbeit. Dabei war es früher in Deutschland üblich, die Puppenstube zur Bescherung an Heiligabend aufzubauen und sie dann gleich nach Weihnachten zum Dreikönigstag wieder einzupacken und auf dem Dachboden zu verstauen, sodass lediglich kurze Zeit damit gespielt werden konnte.

 

Alte Exemplare von Puppenhäusern sind heute in Spielzeugmuseen zu sehen; Sie sind auch begehrte Sammelobjekte.

Autor:

THOMAS WÜNSCHE