Schaumburger Zeitung vom 10. August 2020

Bechergewicht aus Dreißigjährigem Krieg entdeckt

Bodenfund aus Escher gibt Rätsel auf

ESCHER/HATTENDORF. Wie kam das Ding in den Acker? Stammt es aus dem Gepäck eines Söldners aus Frankreich, der es verlor, als seine Einheit im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) Hattendorf niederbrannte? Hat es ein Einwohner absichtlich vergraben, um es vor der Soldateska zu verstecken? Oder war alles vielleicht ganz anders? Fragen über Fragen. Fest steht nur: Ein Meister aus Amsterdam hat im Auetal seine Spuren hinterlassen – und zwar in Form eines winzigen Bechergewichts aus Messing.

Der Topf mit allen sechs Einsätzen und dem Schlussstein lag nur wenige Meter von dem abgetrennten Deckel entfernt. Aufgespürt hat es Michael Hothan, ein zertifizierter Sondengänger, bei einer Feldbegehung in Escher. „Sobald wir eine geeignete Vitrine dafür haben, werden wir den Fund im Heimatmuseum Auetal ausstellen“ freut sich dessen Leiter Karl Hampel; bis dahin ruht das Bechergewicht, das komplett nur 108 Gramm wiegt und die Zeitläufte nahezu unbeschadet überdauert hat, im Fundus des Hauses.

Präzisionsgewichte wie das bei Escher gefundene deuten daraufhin, dass mit ihnen sehr geringe Mengen eines Materials abgewogen wurden. Das könnte auf den Gebrauch durch einen Goldschmied oder Apotheker hindeuten.

 

Tatsächlich ist der Ackerfund so bedeutsam, dass Dr. Daniel Lau, Kommunalarchäologe der Schaumburger Landschaft, ihn sich eingehend angesehen hat. Das Ergebnis seiner Recherche hat Lau in einem zweiseitigen Exposé festgehalten, dass Hampel der Redaktion jetzt zur Verfügung gestellt hat. „Bechergewichte“, so Lau, „waren Präzisionswerkzeuge zum exakten Auswiegen von Handelsware.“ Der Archäologe: „Auf dem Fund aus Escher findet sich die Punze einer Hand mit zusammengelegten Fingern. Das Zeichen ist als Eichmarke für Antwerpen belegt.“

Zusätzlich sei auf dem Deckel des Bechergewichts eine Rotschmiedemarke zu sehen – die Angabe des Herstellers, der damit für die Qualität seines Produktes gebürgt habe: Konkret zu sehen sei ein mit der Spitze nach oben zeigendes Schwert mit geflammter Klinge; links davon stehe der Buchstabe „G“, über der Spitze ein „D“ und rechts ein „N“. Für den Archäologen ist klar: „Dieses Meisterzeichen identifiziert die Arbeit als aus der Werkstatt des Amsterdamer Schmieds Guillam de Neve stammend.“ Neve, geboren 1576 und gestorben 1654, habe im Laufe seines Lebens Münzgewichte, Einsatzgewichte und Waagen hergestellt. „Da das Meisterzeichen ohne Jahresangabe ist“, so Lau, „kann das Einsatzgewicht nur grob in die Zeit seines Schaffens datiert werden – also in die erste Hälfte bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts.“

 

Ungeklärt bleibe, wie das Bechergewicht seinen Weg ins Auetal gefunden haben könnte, aber auch, warum es so gut erhalten geblieben sei. „Möglicherweise“, überlegt der Archäologe, „ist es vor oder im Laufe des Dreißigjährigen Krieges ins Auetal gelangt, möglicherweise aber auch erst nach dem Tode des Herstellers, in dem man es weiterverkauft oder eingetauscht hat.“ Die pflegliche Behandlung des Stücks, da ist sich Lau sicher, lasse aber so oder so auf eine „große Wertschätzung“ und damit auch auf einen „hohen Wert“ schließen.

 

Ob der Fundort, jener Acker bei Escher, noch weitere Objekte bereit hält, die dabei helfen können, Licht ins Dunkel der Geschichte des Auetaler Bechergewichts zu bringen, wird die Zukunft zeigen. Bis dahin wird es ein Rätsel bleiben, wie der Meister aus Amsterdam einst ins Auetal kam.

Autor:

THOMAS WÜNSCHE