Jedes Bild erzählt eine Geschichte - mindestens
Warum das Heimatmuseum noch Konfirmationsbilder sucht
Auetal. Ganz rechts sieht man den Pastor. Peter Reinicke war von 1962 bis 1986 Gemeindepastor in der Kirchengemeinde Rolfshagen war, zu einer Zeit also, als von Karohagen noch
nicht die Rede war. Verlässlich und umsichtig habe er die Gemeinde geleitet und zudem die ersten Schritte zur Planung des Gemeindehauses umgesetzt, erklärte der Kirchenvorstand im Frühling in
einem Nachruf, denn Peter Reinicke ist im März im Alter von 93 Jahren gestorben.
Oder ganz rechts unten. Da sitzt eine Heranwachsende im besten Teenageralter, die heute im Vorstand der Turn- und Sportgemeinschaft Rolfshagen als zweite Vorsitzende arbeitet. Und ob Ralf Kopczinsky zum Zeitpunkt der Aufnahme geahnt haben mag, dass seine später Ehefrau in der Reihe hinter ihm steht, dass ist wohl auch fraglich.
Soll heißen: Konfirmationsbilder erzählen ihre eigenen Geschichten. Und daher möchte der Verein für Heimatpflege mehr von ihnen haben. Denn, so erklärt es Museumsleiter Kurt Hampel, historische
Fotos, die etwa 100 Jahre alt sind, die werden von den Besuchern des Heimatmuseums zwar angeschaut, aber nur kurz: Weil sich jeder anhand der Daten ausrechnen kann, dass die dort gezeigten
Menschen schon lange von uns gegangen sind. Das sei bei Bildern aus den siebziger Jahren, beispielsweise, völlig anders, sagt Hampel. Hier würden die Betrachter gezielt suchen, ob sich nicht
jemand findet, den man noch kennt, wie etwa Bettina Meier, die heute Teich mit Nachnamen heißt.
Nun ist es nicht etwa so, dass es dem Museum an Fotos mangelt, gewiss nicht, denn rund 6000 Bilder umfasst das ziemlich beeindruckende Archiv. Es ist, wenn man so möchte, die fotografische Grundlage des Museums. Aber einige Orte sind sehr stark vertreten, wie Borstel und Hattendorf, weil hier Christa Kluge und dort Horst Buchta wohnen: Beide haben fleißig gesammelt, sagt Hampel. Und nennt Rolfshagen als das andere Beispiel: Von dort fehle es spürbar an Bildern.
Bilder und Museen, das passte schon immer recht gut zusammen. Denn Bilder vermitteln eine Botschaft, erzählen von Unbekanntem, wollen Wissen vermitteln oder sorgen für Ablenkung und Unterhaltung.
Nicht in jedem Mensch steckt das Talent zum Maler oder Schriftsteller, aber zumindest in der Bilderzeugung kann malerisches Talent heute durch technische Verfahren ersetzt werden. In der heutigen
Welt mit ihren Digitalkameras und Smartphones kann buchstäblich jedes Kind Bilder erschaffen. Manchmal geschieht das mit Sinn und Verstand – und manchmal scheinbar ohne. Das nennt man dann wohl
den Zeitgeist.
Zurück nach Hattendorf: Wer noch Bilder aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts verfügt und damit dem Museum helfen möchte, dem bieten sich drei Wege: Er kann es auf dem Postwege Kurt Hampel zukommen lassen, er kann es, zweitens, persönlich im Museum, im Hirschgraben 12, vorbeibringen, denn die Männer der Mittwochsrunde sind dort jeden Mittwoch von 10 bis 12 Uhr am werkeln.
Oder er ruft bei Hampel unter (05752)600 an: Dann kommt der Museumsleiter persönlich vorbei. Hampel sieht es so: Kommen genug Bilder zusammen, so könnte man im nächsten Jahr durchaus über eine eigene Ausstellung nachdenken.
Wer persönlich im Museum vorbeischaut, muss nicht lange warten. Hampel nimmt das Bild, geht in den Keller, wirft den Computer an und scannt das Bild ein, das er dann sofort wieder zurückgibt – das dauert keine fünf Minuten.
Und je länger man sich die Bilder anschaut, desto mehr sieht man auch. Etwa, dass sich vor 30 Jahren richtig chic gemacht wurde für den Fototermin vor der Kirche, schließlich feiert man nur einmal Konfirmation im Leben. Und dass die Kirchengemeinde offensichtlich einen Fotografen beauftragt hatte, der ziemlich genaue Vorstellungen von seinem Bild hatte, wie die aufgestellten Stühle vermuten lassen.
Was noch auffällt, das ist die große Anzahl der Konfirmanden, die schiere Masse. Heute sieht man in den Gemeindebriefen deutlich kleinere Gruppen; die Konfirmation ist etwas aus der Mode gekommen.
Das ist auch an den offiziellen Zahlen ablesbar. Im Jahr 1990 stellte die katholische Kirche in Deutschland mit über 28,5 Millionen Mitgliedern rund 35,4 Prozent der Bevölkerung. Mehr als 20 Jahre später zählten im Jahr 2013 nur mehr 24,2 Millionen Personen als Katholiken, also 29,9 Prozent der Bevölkerung.
Die Evangelischen Kirchen, die im Jahr 1990 mit 29,4 Millionen Mitgliedern noch 36,9 Prozent der Bevölkerung repräsentierten, haben sich ähnlich entwickelt: In den Jahren 1990 bis 2013 traten 4,5 Millionen Menschen aus der evangelischen Kirche aus.
33 Prozent aller Deutschen sind heute konfessionslos; damit übertrifft diese Gruppe mit rund 27 Millionen Menschen heute die beiden großen Konfessionen, wenn man diese einzeln betrachtet. Auch davon erzählt ein Konfirmationsbild.
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